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Nach einem Nachtflug ohne viel Schlaf war ich gestern Früh in Muskat, der Hauptstadt, gelandet. Der Fahrer des Busses, der uns aus dem Areal des Flughafens brachte, schien genauso müde zu sein wie ich. Seine geschwollenen Augen waren häufiger zu als offen. Nur das Rattern der Seitenlinien schien uns vor Schlimmerem zu bewahren. Nach einem lustlosen Mittagessen am Rande eines riesigen Parks begann ich, mein Glück beim Autostopp zu versuchen. Es lief harziger als erhofft. Ich wurde nur kurze Strecken mitgenommen und an lauten, unübersichtlichen Kreuzungen wieder herausgelassen. Nach mehreren Stunden erreichte ich Nakhal, bekannt für eine der imposantesten Festung des Landes. Bei der Ankunft fielen mir sofort die vielen Palmen auf, die das gesamte Tal bedecken. Bis anhin dominierten karge Felsen und viel Sand das Landschaftsbild. Doch hier sorgten die Flüsse, die in den nahe gelegenen Bergen entspringen, für einen ganz anderen Anblick. Ebenfalls fiel mir der Felshügel auf, der direkt am westlichen Rand der Stadt steil in den Himmel ragte. Nach Rücksprache mit Einheimischen richtete ich auf dessen Spitze mein Nachtlager ein. Ich beobachtete die Sonne, wie sie ein letztes Mal die Türme der Festung in ein goldenes Licht tauchte und dann hinter der Bergkette verschwand. Schnell übermannte mich eine riesige Müdigkeit und schlief fast ununterbrochen zwölf Stunden durch.
Nach dem Besuch der sehr touristischen Festung am nächsten Morgen folgte ich der Strasse zum Fuss der Berge. Ich freute mich riesig auf ein Bad im dort entspringenden Fluss. Ich erwartete eine Abkühlung und staunte nicht schlecht, als ich in einen natürlichen Pool am Rande des Flusses stieg. Knapp vierzig Grad beträgt dort die Temperatur, dank einer aus dem Berg sprudelnden heissen Quelle. Im Fluss liess ich anschliessend eine Heerschar kleiner Putzerfische meinen Körper abknabbern. Nach einer Stärkung folgte ich dem Tal flussaufwärts. Bald schon verschwand das heisse Wasser im Untergrund. Nur noch vereinzelte Bäume liessen auf das viele Grundwasser rückschliessen. Vorbei an grossen Herden von Ziegen drang ich immer tiefer in das abgelegene Tal vor. Die steinigen Hügel begannen bald in der Abendsonne rot zu leuchten, bevor sich die Nacht ausbreitete. Angekommen in einer wild-romantischen Landschaft schaue ich dem Feuer zu, wie es die letzten Holzscheite verschlingt. Unter dem Funkeln des Sirius bestaune ich eine nah verglühende Sternschnuppe, die mit ihrem Schweif das ganze Tal zu überbrücken scheint.
Nach einer erholsamen und warmen Nacht verliess ich das Wadi wieder auf demselben Weg. Bei den heissen Quellen bereitete ein junger Mann gerade mit grösster Liebe und einem Auge für Ästhetik sein Frühstück zu. Auf einem kleinen Tisch erhitzte er Wasser, um Kaffee aufzukochen. Daneben lagen Fladenbrot, Honigwaben, Litschis, Erdbeeren und Pistazien bereit, aufwändig und wunderschön präsentiert. Er lud mich ein, mit ihm zu frühstücken. Doch zuerst hatte ich die Ehre, den Kaffee nach präzisen Vorgaben zu übergiessen, damit er ein Video für sein Instagram machen kann. Gestärkt fuhr ich per Autostopp tiefer ins Herzen der imposanten Bergkette. Auf kurvigen und steilen, unbefestigten Strassen erklommen wir Hügel um Hügel, bis die Fahrt unverhofft plötzlich endete. Irgendwo im Nirgendwo wohnte der Fahrer in einer kleinen Hütte und von dort aus hatte ich dann selber weiterzuschauen.
Nach einem schweisstreibenden Marsch unter der hoch stehenden Mittagssonne erreichte ich schliesslich eine Lodge. Ohne Gäste und demzufolge geschlossen, war nur noch ein Wärter vor Ort. Er erbarmte sich meiner unglücklichen Situation und kochte mir mit viel Liebe ein herzhaftes und ausgiebiges Mittagessen. Er bot mir sogar an, die Nacht in einer Lounge oder einem Tipi zu verbringen, die Dusche zu benützen, alles kostenfrei. Doch ich hatte andere Pläne. Ich kam ins Gespräch mit einem saudi-arabischen Tramper, der mir eine besondere Route empfahl.
Ich folgte dem ausgetrockneten Flussbeet durch enge Schluchten, bis ich bald ein leises Plätschern vernahm. Ich fand ein kleines Rinnsal vor, in das haufenweise Frösche flüchteten, sobald ich zu nahe kam. Eine kleine, schneeweisse Wasserschlange verkroch sich rasch hinter einem Stein. Dichtes Schilf erschwerte mir das Durchkommen. Von deren Halmen flogen kleine Vögel davon, sobald sie mich bemerkten. Ich genoss den abwechslungsreichen Spaziergang, bis mich die Dämmerung zum Halten zwang. In einem trockenen Seitenarm des Flusses verbrachte ich eine weitere sternenreiche Nacht, wenn auch empfindlich kühl gegen Morgen in einer Höhe von 1000 Meter. Doch spätestens als die ersten Sonnenstrahlen die Bergkette in ein goldenes Licht tauchten und die Sträucher saftig grün zu leuchten begannen, waren alle Unannehmlichkeiten vergessen.
Mein knurrender Magen von vorgestern wurde mit jeder Stunde lauter. Die Hoffnung auf ein vorbeifahrendes Auto musste ich begraben. Es blieb mir nichts anderes übrig, als weiterzumarschieren. Die Landschaft konnte ich schon bald nicht mehr geniessen. Die glitzernden Bäche liessen mich kalt. Meine Gedanken kreisten nur noch um Essen. Alles andere begann ich zu verfluchen. Die Pausen wurden häufiger, ich kam den Tränen nah. Mit der viel befahrenen Hauptstrasse als Ziel bereits in greifbarer Nähe, traute ich meinen Ohren kaum. Ich drehte mich um und sah ein Motorrad langsam auf mich zurollen. Erleichtert liess ich mich die letzten paar hundert Meter mitnehmen. Das anschliessende späte Mittagessen schmeckte fantastisch. Für die zwölf Kilometer lange Strecke brauchte ich dank der Höhenunterschiede und des schweren Gepäcks sechs Stunden. Ohne Frühstück nachvollziehbar.
Der Rest des Tages verlief dafür umso reibungsloser. Ein ortskundiger Omani fuhr mich nach Al Fara'a, einem aus Steinhäuser bestehenden Bergdorf. In die steile Felswand wurden Terrassen gehauen, auf denen Palmen und Sträucher wuchsen. In einem Tal an einem kühlen Fluss mit natürlichem Pool zum Schwimmen schlug ich mein Nachtlager auf. Nach Sonnenaufgang wanderte ich zum nächsten Bergdorf, ähnlich abenteuerlich in den Fels gehauen. Dort entsprang auch die Quelle, die über weit verzweigte Wasserkanäle das ganze Tal mit Wasser versorgte. Vom Bauherr eines Hotels wurde ich ins Tal gefahren und bei sich zu Hause zum Frühstück eingeladen, zusammen mit seinen beiden Landschaftsarchitekten. Im Supermarkt deckte ich mich anschliessend mit reichlich Nahrungsmitteln ein. Mit zwei Hirten konnte ich nach Yasib mitfahren, dem Dorf mit dem Canyon. Die Fahrt war lang und führte mich in ein Gebiet fernab jedes Mobilfunknetzes. Während ich nun die wärmende Sonne geniesse, beobachte ich die autofreie Bergstrasse, die sich den Berg hoch schlängelt. Mein nächstes Ziel ist die Krete von Jebel Shams, der höchsten Gebirgskette im Land.
Es war eine nicht ganz komplikationsfreie Vorbereitung bis dorthin. Vor zwei Tagen wurde ich schliesslich zu einer längeren, unfreiwilligen Wanderung gezwungen. Auch nachdem ich die Landschaft zum wiederholten Mal durch den Feldstecher abgesucht hatte, blieb die Bergstrasse verkehrsfrei. Der beissende Wind, die dunkeln Wolken und meine knappen Wasservorräte bereiteten mir Sorgen. Missmutig begann ich, mich die wenig attraktive Schotterstrasse hoch zu schleppen. Stets mit dem lästigen Gedanken im Hinterkopf, dass ein vorbeifahrendes Auto sämtliche Strapazen überflüssig gemacht hätten. Doch je näher ich der Kreuzung mit der Hauptstrasse kam und mich noch immer kein Auto überholt hatte, desto sicherer wurde ich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Am späten Abend erreichte ich schliesslich den Dorfrand. Unter dem Glühen eines kitschigen Abendorts, das ich nicht mehr geniessen konnte, bereitete ich mein Nachtlager vor. Ich schlief schlecht. Bis auf sechs Grad fiel das Thermometer, zu kalt ohne Zelt. Nach einer unruhigen Nacht wurde ich mit einem prächtigen Sonnenaufgang zumindest teilweise entschädigt.
Nach einem herzhaften Frühstück nahm ich mir vor, den 'Balcony Walk' zu laufen. Diese wenig anstrengende Wanderung führt der Felswand des Wadi Nahkr entlang. Ohne grosse Höhendifferenzen ist sie für Touristen aller Art geeignet und war dementsprechend gut besucht. Umwerfende Aussichten ins weite Tal entschädigten jedoch kaum für das übertrieben hohe Aufkommen am Berg. Glücklicherweise konnten jedoch längst nicht alle Wanderer die gesamte Strecke zurücklegen. So kam es, dass ich beim Endpunkt des Weges zeitweise komplett alleine war. Am nördlichen Ende des Tales lag, eingebettet zwischen steilen Felswänden, ein malerischer Bergsee. Dahinter versteckte sich, nicht ganz einfach zugänglich, eine kleine Grotte. Von Stalaktiten tropfte Wasser in flache, natürliche Wasserbecken. Mächtige Stalagmiten ragten wie Altare aus Kalk in die Höhe. Moose, Farne und andere Grünpflanzen kämpften um die begehrten Plätze mit ausreichend Sonnenlicht. Es bleibt lediglich zu hoffen, dass dieser Ort noch lange so unberührt bleibt.
Auch auf dem Gipfel des Jebel Shams ist es höchste Zeit, mit dem Abstieg zu beginnen. Dass ich das Dorf nicht mehr bei Tageslicht erreichen würde, ist von Anfang an klar. Nach gut zwei Stunden zügigen Laufens montiere ich die Stirnlampe. Sobald die Sonne hinter den Bergen verschwindet, fällt die Temperatur deutlich. Der eben aufgegangene Vollmond hilft mir kaum, den richtigen Weg zu finden. Umso mehr jedoch die an den Wanderwegmarkierungen angebrachten, reflektierenden Aluaufkleber, die mich wie Glühwürmchen sicher durch die Nacht begleiten. Mit guter Musik auf voller Lautstärke erreiche ich nach gut vier Stunden konzentriertem Abstieg die ersten Häuser des Dorfes. Dreizehn Stunden war ich insgesamt unterwegs und bewältigte dabei 22 Kilometer und 2200 Höhenmeter Auf- und Abstieg. Ich bin glücklich, stolz und zufrieden. Voller Vorfreude laufe ich die letzten paar hundert Meter zu meiner Unterkunft, die ich mir gestern zu einem Viertel des Normalpreises ergattern konnte. In der wohligen Wärme des Zimmers überkommt mich bald eine unendliche Müdigkeit.
Es war ein glückliches Timing meinerseits, genau an diesem Tag in Nizwa anzukommen. Ich beschloss, in der Stadt nicht im Freien zu schlafen, sondern mir eine Unterkunft zu gönnen. Für nur sechs Rial sicherte ich mir das letzte Bett in einem Massenschlag. Ohne schweres Gepäck lief ich ins Zentrum der ehemaligen Hauptstadt Omans und schlenderte durch farbenfrohe Marktstände, die Waren aller Art anboten. Ich erklomm die imposante Festung und genoss die Klänge und Tänze einer traditionellen Musikgruppe. Auch am nächsten Tag hielt mein Glück an, fand dann nämlich der wöchentliche Ziegenhandel statt. Während die Käufer auf den Treppenstufen eines grossen, runden Pavillons sassen, hetzten die Verkäufer darum herum. Wenig zimperlich zerrten sie ihre Ziegen mit und schrien das jeweils höchste Gebot in die Runde Interessenten begutachteten und untersuchten die Tiere gewissenhaft, bevor sie ihr Gebot abgaben. Ziege um Ziege wechselte so ihren Besitzer. Doch auch Kühe, Schafe, Kaninchen, Küken und Wellensittiche standen zum Verkauf. Meine Zimmergenossen vom Hostel, mit denen ich den Marktplatz besuchte, hatten sich ebenfalls kein Tier gekauft und so liefen wir zu dritt wieder zurück. Mein ursprünglicher Plan war, zeitig in Richtung Jebel Al-Akhdar zu trampen. Doch nachdem ich die Pläne der beiden Schweizer mitbekommen hatte, entschloss ich, mich dort anzuschliessen.
Mit dem Mietauto fahren wir nach Jabreen. Die dortige Festung übertraf diejenigen von Nakhal und Nizwa bei weitem. Unscheinbar von aussen, ist das Innere geprägt von verwinkelten Gängen, Zimmern, Schächten und Falltüren. Decken aus Holz sind mit filigranen religiösen und mythischen Muster geschmückt. Historische Artefakte sind liebevoll inszeniert in den Räumen zur Schau gestellt. Dezentes Licht hebt aufwendig in den Stein gemeisselte Schriften hervor. Zwei Stunden verbrachten wir in der wenig touristischen Festung, bevor wir uns wieder auf den Heimweg machten. Blöderweise schien die Sonne bei einer Autobahnauffahrt in einem derart ungünstigen Winkel, dass wir für einen kurzen Moment nichts mehr sahen. Dies reichte jedoch schon, um den Wagen in den Strassengraben zu steuern. Da wir glücklicherweise sehr langsam unterwegs waren, kamen wir mit dem Schrecken davon. Das hintere linke Rad jedoch hing einen guten Meter in der Luft, sodass wir aus eigener Kraft nicht mehr zurück auf die Strasse kamen. Hilfsbereite Omanis montierten kurzerhand ein Seil und zogen uns auf dem Schlamassel. Mit ein paar zusätzlichen Schrammen im Lack des Autos ging es weiter ostwärts. Bald verabschiedete ich mich, um einen Abstecher in die Berge zu machen. Die vergangenen zwei Tage waren eine willkommene Abwechslung. Teils laut und hektisch, aber wieder Mal unter Menschen. Längere Gespräche geführt statt nur ein paar Wörter in gebrochenem Englisch im Auto eines Omani ausgetauscht. In vertrauter Sprache und Kultur, ohne darauf bedacht sein zu müssen, etwas Unpassendes zu sagen. Ich vermisste es. Nach meinem Aufenthalt im Jebel Shams Gebirge kam ich nämlich nie mehr ganz in den gleichen frohen, optimistischen und entspannten Flow wie in der ersten Woche. Alles schien mir etwas schwieriger. Ich war zeitweise traurig und wusste nicht warum. Erst jetzt wurde mir klar weshalb.
Am nächsten Morgen fuhr ich per Anhalter nach Misfat al Abriyeen. Dass dieses Bergdorf in jedem Reiseführer vorkommt, war augenscheinlich. Die Fassaden waren voller Informationstafeln, Schilder wiesen den Weg zum nächsten Guesthouse, Restaurant, Museum, Kunstgalerie oder Café. Einheimische waren keine zu sehen. Ich verliess das Dorf und lief bis zur Quelle der Falaj, die unspektakulär aus einem Wadi floss. Viel mehr gefallen hat mir der 'Garden Walk'. Auf in den Hang gebauten Terrassen wurden Palmen, Stauden, Obst und Gemüse kultiviert. Der Wanderweg führte durch abwechslungsreiche Plantagen und bot zum Schluss eine tolle Aussicht auf das Dorf mitsamt Terrassen. Mein Nachtlager richtete ich etwas abseits einer Bergstrasse ein. Kleine dornige Bäume, von der untergehenden Sonne orange-rot beleuchtet, verliehen der Landschaft einen Anblick wie aus der afrikanischen Savanne.
Am nächsten Morgen liess ich mich bis nach Ash Sharaf mitnehmen, dem Pass am Ende der Bergstrasse. Es begrüssten mich ein beissender, eiskalter Wind, Wolken und Nebel. Die Route, die ich geplant hatte, verlief einer Schotterstrasse entlang bis zu einem kleinen Hügel weit unterhalb des Gipfels des Jebel Shams. Ich machte sofort kehrt und trampte wieder zurück ins Tal. Ich war ziemlich überrascht, als ich dort drei Kamele antraf. Von einem Hirten war weit und breit nichts zu sehen. Die Vorderbeine waren zusammengeschnürt, sodass nur winzig kleine Schritte möglich waren. Friedlich rissen sie Blätter aus stacheligen Bäumen. Die Dornen schienen ihnen dabei gar nichts auszumachen. Auch eine Abfallmulde wurde geplündert. Besonders schien ihnen Karton zu schmecken, auf dem sie genüsslich herumkauten und hinunterschluckten. Es waren schöne Tiere, mit langen Wimpern und tiefbraunen Augen, die zutraulich waren, die menschliche Nähe suchten und sich auch problemlos streicheln liessen.
Genauso überrascht war ich von der Al Hoota Höhle. Missmutig hatte ich den überrissen hohen Eintrittspreis gezahlt. Mit einem kleinen Elektroauto wurde ich zum Eingangstor der Höhle chauffiert. Die ersten, mickrigen Stalagmiten liessen nichts Gutes erhoffen. Ich irrte mich gewaltig. Ich folgte dem schmalen Weg und fand mich in einer riesigen Halle wieder. In allen Grössen und Formen hingen Stalaktiten von der Decke. Mit meiner Stirnlampe leuchtete ich tiefe Spalten aus und sah hunderte Fledermäuse, die friedlich vor sich hin dösten. Wo sich Stalaktiten mit Stalagmiten trafen, entstanden beeindruckende Altare so hoch wie ein zweistöckiges Haus. Mit etwas Fantasie sah ich in den Formationen Löwen, Elefanten und Affen herumturnen. Der öffentlich zugängliche Teil endete bei einem See, in dem an die ewige Dunkelheit angepasste Fische ohne Augen schwammen. In weiter Ferne verlor sich der See in tiefschwarzer Finsternis. Dahinter führte die Höhle noch tiefer in das Berginnere. Obwohl der vordere Teil nur etwa zehn Prozent ausmacht, war die Vielfalt an Formationen atemberaubend und etwas vom Besten, das ich je sah. Abgerundet wurde der Besuch mit einer grossen Ausstellung zur Geologie im Oman. Verständlich erklärt und mit spannenden Exponaten ebenfalls ein Höhepunkt.
Die Nacht verbrachte ich im Wadi Tanuf. Ich konnte bei drei französischen Bergsteigern bis zum Ende der Schotterstrasse mitfahren. Da das Auto jedoch voll war, stand ich auf dem Trittbrett auf der Fahrerseite und hielt mich am Türrahmen fest. Gemütlich schlitterten wir auf den Kieselsteinen in die Berge. Es fühlte sich ein wenig an wie Surfen. Meinen Schlafplatz richtete ich am Eingang einer sehr schmalen und extrem hohen Schlucht ein. Am nächsten Morgen erkundete ich den Wasser führenden Canyon. Ich hüpfte von Stein zu Stein, bis mir ein grosser Teich das Weiterkommen verunmöglichte. In der Hoffnung auf eine baldige Mitfahrgelegenheit machte ich mich auf den Rückweg. Der Grossteil des engen Wadis lag noch im Schatten. Bei angenehmen Temperaturen lief ich Kilometer um Kilometer und genoss die Ruhe, die Abgelegenheit und die wilde Landschaft. Nach und nach erreichte die Sonne immer grössere Abschnitte des Tals und liess die Felsen feuerrot erstrahlen. Nach gut zwei Stunden erreichte ich wieder Zivilisation und trampte von dort schliesslich nach Nizwa.
Was auf der Karte wie ein Katzensprung mit leichter Steigung aussieht, ist unter der sengenden Sonne und mit schwerem Gepäck eine halbe Weltreise. Ich höre Musik und kämpfe mich Kilometer für Kilometer die karge Landschaft hinauf. Eine Überraschung bot sich in Form einer leeren, verrosteten und schweren Patronenhülse. Ein mächtiges Kaliber, 20 Millimeter im Durchmesser, 10 Zentimeter lang und mit zahlreichen Stanzungen. Lediglich ein GB kann ich entziffern. Alles deutet darauf hin, dass es sich um ein Projektil eines britischen Kampfflugzeuges handeln muss. Diese standen dem Sultan im Jebel Al-Akhdar Krieg der 1950er-Jahre unterstützend zur Seite. Mit dem historischen Artefakt im Rucksack erklimme ich die letzten Höhenmeter bis zur Krete. Ich drehe mich um und geniesse die endlose Weite. Auf einfachem Terrain überquere ich das Hochplateau, bis ich die Hauptstrasse erreiche. Per Anhalter trampe ich wieder nach Birkat Al Mouz, wo ich vor zwei Tagen meinen Abstecher in das Jebel Al-Akhdar Gebirge startete.
Mitfahren dorthin konnte ich bei einem überaus freundlichen Einheimischen, der mir auch anbot, bei ihm zu essen und zu übernachten. Ich bedankte mich und liess mich bei den Ruinen von Wadi Bani Habib absetzen. Aufgrund der verwendeten Baustoffe, die immer wie mehr in sich zerfielen, sowie der schwierig erreichbaren Lage wurden die beiden Dörfer zu Grosselterns Zeiten verlassen. Vor allem das am Osthang gelegene Dorf war noch erstaunlich gut erhalten. Ich erkundete die Geisterstadt, bis ich Schüsse hörte. Ich stieg auf die Krete und sah drei Männer auf einem Teppich liegen. Auf einem Stein aufgelegt lag ein Gewehr mit Zielfernrohr. In gut 100 Meter Distanz auf der gegenüber liegenden Seite des Tals waren weisse Porzellanscheiben in die Felsspalten geklemmt. Dazwischen verlief eine Wasserleitung. Unter Gelächter und lautem Geschwätz feuerten die Männer abwechselnd auf die Ziele. Die Schüsse knallten ohrenbetäubend. Ab und zu explodierte eine Scheibe und wirbelte eine Staubwolke auf. Es ging nicht lange und sie boten auch mir an, mein Glück zu probieren. Ich schoss zweimal liegend, doch hatte Mühe mit der sich im Zielfernrohr spiegelnden Sonne. Sitzend hatte ich einen besseren Durchblick und unter den überraschten Ausrufen der Männer zerbarst eine Porzellanplatte in ihre Einzelteile. Immer wie schneller näherte sich die Sonne dem Horizont und ich begann, mein Nachtlager einzurichten. Ich befand mich auf 1900 Meter Höhe, wo die Nächte im Freien empfindlich kalt werden. Ich entschied, mich im am besten erhaltenen Gebäude einzuquartieren. Einer kleinen, verlassenen Moschee. Ich verbarrikadierte die Fenster und schloss die schweren Eisentüren. Zusammen mit einer Schwalbe, die im Dachgiebel ihr Nest hatte, verbrachte ich eine erholsame Nacht. Draussen rauschte der Wind unerlässlich durch die verlassenen Gassen.
Am nächsten Morgen spazierte ich durch die drei Dörfer Al Aqur, Al Ain und Al Sharaijah. Der als 'Three Villages Hike' bekannte Weg führt durch weitläufig angelegte Terrassenbauten. Falaj führen das eiskalte Bergwasser zu den kultivierten Feldern. Saftig grüne Gräser und Stauden spriessen dort aus dem Boden und stehen in starkem Kontrast mit der sie umgebenden Wüstenlandschaft. Der Grossteil der Terrassen liegen jedoch bracht. Es sei nicht die beste Jahreszeit für einen Besuch, hiess es. Während im Frühling und Sommer die Bäume Früchte tragen und das Gemüse geerntet wird, sei es im Winter zu trocken für Landwirtschaft. Die Aussichten ins Tal und die paar bewirtschafteten Felder waren jedoch den Spaziergang allemal wert. Gut gelaunt probierte ich am Nachmittag, nach Al Sugra zu trampen, dem Ausgangspunkt meiner Wanderung zur Höhle mit dem Geocache. Leider endete die Fahrt frühzeitig an einer Kreuzung im Nirgendwo. Zwei Stunden marschierte ich entlang der staubigen Schotterstrasse, ohne dass ein Auto gekommen wäre. Erschöpft hoffte ich auf eine günstige Unterkunft im Bergdorf. Dieses stellte sich jedoch als Touristenziel der obersten Luxusklasse heraus. Unwillig, für eine Nacht 90 Rial zu bezahlen, verliess ich das Dorf wieder. Ich stieg zum Wadi hinunter und stellte mich auf eine kalte Nacht ein.
Ansonsten kann ich mich über den vom Autostoppen geprägten Tag nicht beschweren. Am Morgen erkundete ich noch Birkat al Mouz, das mich mit den vielen Palmen, Falaj und abbruchreifen historischen Häusern stark an Al-Hamra erinnerte. Statt in die Wüste entschied ich mich, zuerst an die Nord-Ost-Küste zu reisen. Mein Ziel war, ein paar Nächte um Neumond in der Wüste zu verbringen. Davon erhoffte ich mir den eindrucksvollsten Blick in die Sterne. Da der Mond erst im dritten Viertel stand, machte dieser Umweg über Muskat für mich Sinn. Ich musste selten lange auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Bei gut zehn teils mehr, teils weniger gesprächsfreudigen Männern durfte ich auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Dass ich die Strecke von 250 Kilometer nur einem Halbtag zurücklegen kann, hätte ich nicht gedacht. Umso glücklicher war ich, kurz nach Sonnenuntergang Dibab erreicht zu haben. Am Strand hinter einer Düne legte ich meinen Schlafsack aus und schlief bald ein.
Zwei Stunden dauerte die Fahrt zu den Jaylah Beehive Tombs. Ich sah Fotos auf Google Maps und war fasziniert. Runde, sich nach oben verjüngende Steintürme mit einem extrem schmalen Eingang, über die wenig bekannt ist. Gut 4000 Jahre alt sollen sie sein und als Grabkammern gedient haben. Menschliche Überreste wurden jedoch nie gefunden. Auch wie die Sandstein-Konstruktionen gebaut wurden, wirft Rätsel auf. Einer Legende nach hat ein Dämon sie errichtet, bevor er von einem heldenhaften Ziegenhirten zur Strecke gebracht wurde. Seitdem ragen die 90 Türme wie geheimnisvolle Relikte aus längst vergessenen Zeiten in den Himmel. Es ist kalt auf 2000 Metern Höhe. Über die endlose Wildnis des Hochplateaus zieht ein eisiger Wind. Die Italiener, mit denen ich mitfahren durfte, schiessen ein paar Fotos und machen sich auf den Rückweg. Im Licht der letzten Sonnenstrahlen betrachte ich die Aussicht und verschlinge mein Abendessen. Ich muss dringen Schutz vor dem Wind suchen. Ich stosse meinen Rucksack durch die kleine Öffnung einer Grabkammer. Auf allen vieren robbe ich hinterher. Es ist spürbar wärmer, wenn auch etwas klaustrophobisch. Kein Licht dringt durch die dicken Steinmauern. Seit der Bronzezeit halten sie der Witterung stand, dann werden sie wohl noch eine weitere Nacht stehen bleiben, versichere ich mir. Mit jeder Minute sinkt die Temperatur weiter. Ich falle in einen unruhigen Halbschlaf und träume von Zimmern und Häuser. Gegen vier Uhr verstopfe ich mit meinem Rucksack den Eingang. Es ist nur knapp über dem Gefrierpunkt. Zwei Stunden später schrecke ich aus dem Schlaf. Die Sonne scheint durch die nach Osten ausgerichtete Öffnung und lässt die Umrisse meines Rucksacks in einem goldenen Licht scheinen. Hastig packe ich meine Sachen und quetsche mich aus der Grabkammer. Die Londoner, die unweit von mir die Nacht verbrachten, verräumen die letzten Sachen im Auto. Zusammen fahren wir zurück an die Ostküste. In der wohligen Wärme des Campers beginne ich langsam wieder aufzutauen.
Ich gönne mir ein günstiges Hotel und verbringe den Tag mit Essen und Entspannen. Ich schwimme im Meer, im Pool und geniesse kühle Getränke. Ich beantworte Mails, reinige meine Ausrüstung und gehe früh schlafen. Am nächsten Tag erkunde ich das Wadi Shab. Scheinbar sehr touristisch, nehme ich die erste Fähre um sieben Uhr, die mich an den Startpunkt schifft. Gemütlich spaziere ich das menschenleere Tal entlang, bis der Pfad bei einem Fluss endet. Ich verpacke meine Wertsachen im Drybag und verstecke den Rest am Ufer. Ich schwimme durch die mäandernde Schlucht, deren Felsen durch das viele Wasser glatt geschliffen wurden. Ich erreiche eine Stelle, wo man kurz untertauchen muss, um in eine Höhle zu gelangen. Dort erwartet mich ein wilder Wasserfall, der das Wasser aufschäumen lässt. Das Rauschen hallt laut in der Höhle. Ich greife die Seile, die links vom Wasserfall befestigt sind, und klettere hinauf. Am Kopf des Wasserfalls quetsche ich mich durch eine kleine Öffnung und gelange zu einem grossen Pool. Ich geniesse die Ruhe, die abwechslungsreichen Texturen der Felsen, das erfrischende, glasklare Wasser und mein Frühstück. Als ich mich zwei Stunden später wieder den Fluss hinuntertreiben lasse, begrüsst mich eine Heerschar von Touristen. Fasziniert schaue ich dem emsigen Treiben zu. Schwimmen können erstaunlicherweise die wenigsten. Der Grossteil kämpft sich mühsam in viel zu grossen Rettungswesten flussaufwärts. Ich lerne einen spannenden Künstler aus Holland kennen, der alltäglichen Küchenutensilien mit KI Leben einhaucht. Seinen subtilen Annäherungsversuchen probiere ich geschickt auszuweichen. Gegen Abend mache ich mich auf den Rückweg und verbringe eine entspannte Nacht an einem malerischen Kiesstrand.
Wadi Tiwi, das letzte der drei, ist das grünste. Ich trampe talaufwärts bis zu einem Geocache. Einem Falaj folgend, klettere ich über ein paar Felsen und erreiche einen verborgenen Pool. Riesige Gesteinsbrocken bilden ein natürliches Dach und spenden Schatten. Das Wasser darunter schimmert grün, wo die Sonne es erreicht. Ich geniesse die Abkühlung und lasse mich in der leichten Strömung treiben. Die anschliessende Wanderung flussaufwärts ist schweisstreibend. Kein Wind weht. Ich treffe kaum andere Menschen. Das Tal wird enger. Während links von mir steile Felsen zu hohen Gipfeln zeigen, sind rechts fruchtbare Terrassen im Hang angelegt. Palmen, saftig grüne Sträucher und Gräser verleihen dem Tal etwas Tropisches. Farne und Moose überwuchern die Felsen, wo aus den vielen Falaj Wasser tropft. Ich balanciere über eine besonders enge Passage und hoffe, mit dem Rucksack nicht ins Wasser zu fallen. Das Vorankommen wird immer wie anspruchsvoller. Ich deponiere mein Gepäck und laufe in Badehosen weiter. Ich klettere über Felsen, steige kleinere Wasserfälle hoch, in der Hoffnung, den grossen Wasserfall zu erreichen, einem der Höhepunkte dieses Tals. Doch die Steine werden immer wie steiler, glatter und glitschiger und bald siegt die Vernunft über die Abenteuerlust. Etwas weiter flussabwärts richte ich mein Nachtlager ein. Kurz nach Einbruch der Dämmerung überrascht mich eine Horde Moskitos. Zu viele, um alle umzubringen, gebe ich klein bei, packe meine Sachen und laufe im Schein der Taschenlampe zum letzten Dorf. Müde und genervt richte ich mich etwas abseits der Strasse bei einer Trafostation ein, die, aus welchem Grund auch immer, mit einem Trinkwasser-Spender ausgerüstet ist. Unter dem steten Summen des Stroms schlafe ich bald ein. Am nächsten Tag trennt mich nur noch ein kurzer Spaziergang entlang der Strasse vom Wasserfall. Aus etwa zehn Metern Höhe plätschert der Fluss in einen Pool. Ein paar Palmen wachsen am Kopf des Wasserfalls. Dahinter ragen hohe Berge in den morgendlichen Himmel. Ich hatte etwas mehr erhofft. Leicht enttäuscht vom Wasserfall, aber überwältigt vom Tal als Ganzes trampe ich wieder hinunter an die Ostküste.
Nach meiner Übernachtung im Schildkröten-Reservat legte ich 150 Kilometer per Autostopp zurück. In der Küstenstadt Sur legte ich einen kurzen Stopp ein und stieg auf einen alten Wachturm, von dem man die gesamte Region überblicken kann. Weshalb alle von dieser Stadt schwärmen, erschloss sich mir nicht. Gegen Abend erreichte ich eine kleinere Wüste, nordwestlich von Romail, die mir ein Guide empfohlen hatte. An deren Rand verläuft eine kilometerlange, eingezäunte Sandstrecke. Männer ritten auf aus etwa zehn wunderschön geschmückten Kamelen bestehenden Karawanen im Glühen der Abendsonne auf und ab. Ich überquerte die Strecke und kletterte die Dünen hoch. Ich ass und bereitete voller Vorfreude auf die Sterne mein Nachtlager vor. Doch die hellen Lichter der umliegenden Dörfer und Städte verunmöglichten leider einen klaren Blick.
Nach einer frischen, aber nicht übertrieben kalten Nacht packe ich meine Sachen und spaziere den Dünen entlang. Die Sonne steht schon hoch und heizt die Wüste kräftig auf. Es dauert nicht lange und ich muss mir einen schattigeren Weg suchen. Ich laufe an ein paar in aller Ruhe ein Gestrüpp fressende Kamele vorbei, durchquere ein verlassenes Dorf und erreiche eine wenig befahrene Strasse. Ich habe Glück und werde von einem Frischwasser-Lieferanten bis zur Autobahn mitgenommen. Dort gabelt mich ein Reisecar-Fahrer auf, der seine Touristen-Gruppe abholen geht. Relativ unproblematisch erreiche ich so Bidiyah, eine grosse und laute Stadt und das Tor zur riesigen, sich über 12'500 km² erstreckende Wahiba Wüste. Ich nutze die letzte Gelegenheit und decke mich mit ausreichend Wasser und Essen für zwei Tage ein. Am Stadtrand nehmen mich zwei Techniker mit, die an einem Telekommunikationsmast eine Wartung durchführen müssen. Zu meinem grossen Glück liegt dieser direkt neben dem letzten Camp im Herzen der Wüste, gut 40 Kilometer vom nächsten Dorf entfernt. Das Camp war für mich nie eine Option, kostet eine Nacht dort übertriebene 200 Rial. Vielversprechender fand ich das Gebiet direkt dahinter. Auf den Satellitenbildern und den paar wenigen Fotos auf Google Maps sind schattenspendende Bäume erkennbar. Ein Eintrag auf iOverlander erwähnte Wasser zum Duschen. Das reichte für mich, es auszuprobieren. Vor Ort ist es noch besser als erhofft. Eine mit Solarpanels betriebene Pumpe förderte Grundwasser in einen grossen Tank. Erhitzt durch die Sonne strömt unerlässlich heisses Wasser aus einem Schlauch. Trinkwasser kann man aus einem Wasserspender direkt ausserhalb des Camps kostenfrei beziehen. Daneben befinden sich öffentliche Toiletten. Ich wasche den klebrigen Wüstenstaub ab und erklimme erfrischt eine etwa 60 Meter hohe Düne. Im Windschatten richte ich mein Nachtlager ein und geniesse die untergehende Sonne, die den feinen Wüstensand goldig erstrahlen lässt. Eine süsse, zutrauliche und unglaublich schnelle Wüstenrennmaus leistet mir beim Sternegucken Gesellschaft und zufrieden schlafe ich ein.
Es ist vier Uhr. Der Wecker schellt. Ich blicke in den Himmel, wo ich mir in den frühen Morgenstunden ein noch intensiveres Sternenspektakel erhofft hatte. Stattdessen sehe ich nichts. Ohne gross nachzudenken, schlafe ich wieder ein. Als der Tag erwacht, staune ich nicht schlecht. Ich liege inmitten einer Wolke. Der Schlafsack, mein Rucksack, die Schuhe: alles ist mit Tau überzogen. Ich steige eine Düne hoch und sehe kaum bis zur nächsten. Alles versinkt im dichten Nebel. Während des Frühstücks zeigt sich erstmals die Sonne. Es dauert bis in den späten Vormittag, bis sich die letzten Wolken aufgelöst haben. Rasch steigen die Temperaturen in unmenschliche Bereiche. Ich beschwere den Schlafsack mit dem Rucksack und laufe zurück ins Tal. Unter den grossen Bäumen weht ein angenehmes Lüftchen. Ich stelle mich auf einen gemütlichen Nachmittag ein. Es dauert jedoch nicht lange, bis unter ohrenbetäubendem Lärm zehn hochmotorisierte Offroad-Fahrzeuge aufkreuzen. Einer nach dem anderen rast die steile, 60 Meter hohe Düne hoch. Anschliessend machen es sich die 20 Männer unweit von mir entfernt gemütlich. Laute Musik dröhnt aus grossen Boxen. Sie laden mich ein, mich zu ihnen zu setzen. Ein Becher mit Wodka macht die Runde. Vor allem bei einem jungen Mann mit Bart sind die Auswirkungen bereits jetzt offensichtlich. Ob das denn legal sei, frage ich. Im Graubereich, meinen sie schmunzelnd, sie kennen da eine Bar. Eine grosse Shisha wird angezündet. Auf dem Grill köchelt ein Haifisch-Eintopf und Reis. Dankend lehne ich alles ab. In ihrer Gastfreundschaft machen sie mir eine separate Portion Reis und wir essen zusammen. Die Stimmung entspannt sich merklich. Nach dem Essen lädt mich der 'Captain', ein Hauptmann in der Armee, auf eine Fahrt ein. Ich probiere, mich anzuschnallen, doch der Gurt klemmt. Den brauche ich nicht, meint er, ich sei bei ihm in sicheren Händen. Er lässt den Motor aufheulen und jagt die Düne hoch. Oben angekommen, lasse ich meinen Blick kurz über die endlose Weite schweifen, bevor wir wieder talwärts fahren. Ich sehe, wie die anderen die Sachen in ihre Autos verstauen. Sie haben noch einen weiten Rückweg vor sich, meint der Captain. Ich bedanke mich bei allen und verabschiede mich. Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie der Trinkfreudige mit den Konsequenzen leben muss und sich laut würgend übergibt. Ich kühle mich unter der Dusche ab und laufe zurück zu meinem Schlafplatz. Ich finde alles so vor, wie ich es hinterlassen hatte. Ich geniesse meine dritte und letzte Nacht in der Wüste. Die Sterne scheinen noch heller zu leuchten.
Am nächsten Tag stand wieder Autostoppen auf dem Programm. Ich hatte mich für die beiden Folgetage zum Tauchen auf den Dimaniyat Inseln angemeldet. Ich hatte leichte Bedenken, die 250 Kilometer zum Hafen nicht an einem Tag zurücklegen zu können. Meine Sorgen waren unbegründet. Zwei Französinnen, die eine Nacht im Luxus-Camp verbrachten, fuhren mich aus der Wüste. Ab Bidiyah hatte ich direkten Anschluss bei einem Omani, der in den genau gleichen Vorort von Muskat musste wie ich. Seine beiden Söhne waren komplett überdreht und kämpften und schrien auf dem Rücksitz. Erleichtert, aber erschöpft und mit etwas Kopfschmerzen erreichte ich Seeb zur Mittagszeit. In der Hand hielt ich eine Kette aus Holzperlen. Ein Geschenk aus Mekka von Mohammed, dem Vater, an mich. Ich genoss den unerwarteten freien Nachmittag, ass köstlich und legte mich in einem kleinen Park am Meer früh schlafen.
Deutlich unangenehmere Erfahrungen machte ich mit meinen Übernachtungen in der Stadt. Ich war überzeugt, mit dem kleinen Park am Meer eine gute Wahl getroffen zu haben. Was ich nicht wusste ist, dass während dreier Tage nationale Feiertage sind. Dementsprechend viele Familien, Freunde und Paare genossen die warme Nacht im Freien. Es wurde grilliert, diskutiert, Musik gehört, gelacht und gelebt. Kinder spielten und schrien bis um ein Uhr in der Früh. Stolze Besitzer teurer Autos liessen die Motoren aufheulen und veranstalteten Hupkonzerte. Streunende Hunde verteidigten ihr Revier und bellten mich an. Dementsprechend unausgeschlafen erschien ich zum ersten Tauchtag. Am Abend spazierte ich der Meerespromenade entlang. Ich entdeckte ein sich im Bau befindliches Haus. Die Arbeiter lachten, als ich sie fragte, ob ich hier eine Nacht schlafen könne. Kein Problem, meinten sie, und führten mich zu einem geeigneten Platz auf der Baustelle. Ich genoss den Ausblick auf das Meer und schaute dem emsigen Treiben der Geschäfte unter mir zu. Kurz vor dem Einschlafen betrat ein älterer Omani mit Sohn die Baustelle. Englisch sprach er nicht. Als ob der ausgerollte Schlafsack nicht offensichtlich genug wäre, zeigte ich ihm mit Gesten meine Absichten an. Seine Miene verfinsterte sich. Sein Arabisch verstand ich nicht, sehr wohl aber seine wegweisenden Handbewegungen und das Wort 'police'. Ich entschuldigte mich, bat um fünf Minuten und begann, meine Sachen zusammenzupacken. Zum Schluss schien er Mitleid bekommen zu haben und rief mir ein 'I'm sorry' hinterher. Es war zehn Uhr Nachts, als ich wieder loslief. Mit grossem Rucksack und farbigen Kleidern fiel ich an der belebten Meerespromenade auf wie ein bunter Hund. Die vielen Blicke, die auf mir ruhten, waren mir unangenehm. Auf die vielen 'hellos' neugieriger Kinder antwortete ich kürzer angebunden als gewöhnlich. Zügig lief ich zu meinem Plan B. Dort wird die Marina durch einen grossen Damm geschützt. Nach einem Parkplatz führt eine kleine Sackgasse bis an dessen Spitze. Mit grossen Steinen blockierte ich den Weg für Fahrzeuge und rollte dahinter meinen Schlafsack wieder aus. Ich schlief schnell ein. Es war eine vergleichsweise ruhige Nacht. Erst gegen Morgen begann ein streunender Hund sich für mich zu interessieren.
Dass ich mich für den Oman als Reiseziel entschied, war einzig und allein ChatGPT zu verdanken. Für den einen Monat, in dem ich allein reisen würde, wollte ich Abenteuer, wenig Geld ausgeben, Wildcampieren, Autostoppen, ausreichend Sicherheit, ein warmes Klima und in eine neue Kultur eintauchen. Dieselbe KI stellte mir für den Oman auch gleich mögliche Destinationen und Routen zusammen, die mir einen guten Überblick boten, aber viel Platz für Spontanität liessen. Ich hatte genügend Informationen, um mein Abenteuer mit einem guten Gefühl starten zu können, aber nicht zu viel, um voreingenommen oder unflexibel zu sein. Es wurde zu einer Reise voller spannender Begegnungen und Erlebnisse in einer äusserst vielfältigen Landschaft. Ich verbrachte so viel Zeit im Freien wie noch nie und merkte, wie wenig es braucht, um zufrieden zu sein. Ich bin dankbar für alle Erfahrungen, die guten wie die schlechten, und dafür, gesund und unversehrt nach Hause zurückkehren zu können.
Florian Zeiter, 2025
Veröffentlicht und zuletzt geändert am 07.10.2025